Heimweh

Zehn Monate in einer Gastfamilie - weg von der so vertrauten Familie leben... Da ist es für alle ganz normal irgendwann auch Mal mit dem Heimweh kämpfen zu müssen.

Ich kann allerdings froh behaupten, dass es mich vor meinem Auslandsjahr einmal sehr stark und dann nie wieder so richtig getroffen hat.

Als ich in meinem dreiwöchigen Schüleraustausch in den USA meine Gastfamilie für Kanada bekam und manche Situation nicht ganz so optimal liefen, hatte ich mit starkem Heimweh zu kämpfen. In diesem Moment war es keine schöne, aber dennoch eine sehr wichtige Erfahrung für mich. Weshalb ich froh bin, dass ich auch dort tolle Menschen und neue Erfahrungen kennenlernen durfte, und es deshalb wieder so machen würde. Das heißt allerdings nicht, dass ich einen kleinen Schüleraustausch vor dem Auslandsjahr empfehlen würde.

v.r. sieht man erst mich und meine ehremalige
Gastschschwester aus Italien, sowie eine
Austauschschülerin aus der Schweiz und Deutschland
Schlittschuh laufend am Parliament Hill

Denn mit dem Heimweh kam zum ersten Mal auch ein wenig Respekt, ein wenig Zweifeln, ein wenig kritisches Denken - allerdings in einem positiven Sinne - über mein riesig Abenteuer, welches schon wenige Wochen später beginnen sollte.

Sagen wir es einfach Mal so wie es ist. Austauschschüler sind gerade in englischsprachigen Ländern und dann auch noch in mittel bis großen Städten nun wirklich kein Seltenheit.
Am Anfang finden die üblichen noch Interesse an dir und deinem Herkunftsland, aber nach spätestens zwei Wochen hat sich jeder an dich gewöhnt. Daraufhin dauert es auch ein wenig bis man gute Freunde findet. Während Freunde finden in Deutschland auch nicht von heute auf morgen geht, wird sich das in einem Auslandsjahr auch nicht ändern.  Keine Sorge, nach spätestens zwei Monaten haben die meisten, und auch ich, diese Phase überwunden.

Gerade für mich war die USA, im Bezug auf Heimweh ein gutes Trainingslager. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie zuvor auch nur ein bisschen Heimweh verspürt, für drei Wochen ließ sich dieses sehr gut überwinden. Aber wie wäre es geworden, wenn es mich am Anfang der zehn Monate getroffen hätte? 

Shayna, meine -kanadische- Freundin
hat mit mir Mathe  
Man muss dazu sagen, dass ich mir vor meiner Abreise nach den Erfahrungen in den USA einen strengen Plan überlegt habe. Im Nachhinein war dies auch super wichtig und echt empfehlenswert. Was habe ich also als vorbeugende Maßnahmen unternommen? Eigentlich ganz simple und selbsterklärende Dinge, und zwar habe ich meine Familien-Whatsapp -Gruppe verlassen und stattdessen eine nur für Nachrrichten über mich und mein Auslandsjahr erstellt. Als nächstes verließ ich noch Gruppen die wirklich keine wichtigen Informationen während meines Auslandsaufenthaltes für mich enthalten werden würden, dazu gehörte eine Familiegruppe mit meiner Oma, Tante, Onkel und Cousine, die SV -Gruppe und ein paar Freundeskreis-gruppen. Dabei sollte aber jeder für sich selbst ehrlich entscheiden welche Social Medias nötig und welche es nicht sind - so hat es bei mir sehr gut geklappt. Ein kompletter Kontakstabbruch war nämlich nie mein Ziel und ist meiner Ansicht nach auch total übertrieben.  

Das wohl wichtigste war aber, dass ich mir fest vorgenommen habe erst nach drei Wochen das erste Mal mit meiner Familie zu Skypen. Das erste halbe Jahr habe ich diesen dreiwöchigen Rhythmus auch beibehalten. Mittlerweile ist er ehrlich gesagt größer geworden, weil meine Tage in Kanada nur noch gezählt sind.

Trotzdem kam es bei mir auch vor, dass wenn Mal etwas nicht so gut läuft ich Zuhause und meine Familie vermisst habe. Das größte was ich in Kanada erfahren habe, war zu realisieren, dass man nie wieder auf seine alte Schule zurück geht, nie wieder mit Kris mit dem Fahrrad zur Schuld radelt und Freitag streitend nach Hause kommt. Da kullerte an zwei Tagen auch schon Mal die ein oder andere Träne.

Die meiste Zeit sitze ich aber mit einem Dauergrinsen in Kanada und habe das Gefühl, dass mir das Herz aus der Brust springt. Oft kommt es mir so unwirklich vor: Ich befinde mich wirklich in einem Land auf der anderen Seite unseres Planeten! Ich lerne eine ähnliche, aber doch so ganz verschiedene Kultur kennen und treffe unglaublich tolle Menschen, denen ich ohne dieses Erlebnis nie über den Weg gelaufen wäre.

An dieser Stelle ist, denke ich, eine dicke Entschuldigung und ein riesiges Danke an meine Eltern angebracht. Da gebt ihr eurer Tochter diese großartige Chance zehn Monate ins Ausand zu gehen. Ohne den kleinsten Funken von Wiederstand habt ihr die nötigen Türen geöffnet, und den Monat davor sitze ich eigentlich nur Zuhause rum und mache mir Sorgen.

Nach meiner Ankunft, wieder zu Hause aus den USA, kann ich mich noch dran erinnern, als Mama bei manchen Sachen beim Auspacken des Koffers vorgeschlagen hat, sie doch gleich im Koffer für Kanada zu lassen und ich konnte gar nicht mehr aufhören zu heulen. Manche Nächte lag ich wach im Bett oder schlich durch Haus um die Zeit rumzubekommen, mit dem besorgen Gesicht von Papa, der mich wieder ins Bett schickte. Ich saß am Frühstückstisch und wollte es mir irgendwie schön reden mit Mama die versuchte mich zu unterstützen, auch wenn ich in diesem Moment nun wirklich nicht davon überzeugt war die richtige Entscheidung getroffen zu haben. 

Im Nachhinein weiß ich, dass meine Eltern sich durchaus auch Sorgen gemacht haben. Aber habe ich auch nur den Hauch von Zweifeln im August 2017 bei ihnen erkannt? Nein und gerade das hat mir viel Kraft und Mut gegeben. In Kanada angekommen war ich irgendwie schon von mir selbst überrascht mit dem Gedanken: "Du ziehst das jetzt durch, du wolltest das schon seid du klein bist und wenn du jetzt nicht gehst bereust du es für immer!" in den Flieger eingestiegen zu sein.

Im Großenundganze kann ich sagen, dass Heimweh natürlich für jeden immer ganz individuell auftritt. Dabei bin ich über meinen Ausgang wahnsinnig glücklich. Aber man darf nicht vergessen, dass Heimweh und vermissen zwei völlig verschieden Dinge sind. Denn jeder der sagt, er würde seine nicht Familie vermissen, hat entweder wahnsinnig Pech mit denen gehabt oder wie in den meisten Fällen lügt.
Trotzdem denke ich, würdest du mich jetzt fragen, ob ich lieber in Kanada oder Zuhause wäre, bin ich mit meiner Situation momentan unbeschreiblich zufrieden, aber froh, dass es sich nicht um ein für immer handelt.

Ab dem Moment in dem ich in Kanada in ins Flugzeug mit dem Zielflughaften Bremem steigen werde, wird mich wahrscheinlich mein Heinweh nach meiner kanadischen Heimat, meiner Gadtfamilie und den Freunden, sowie meiner Highschool anfangen zu plagen.

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